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Sonnenuntergang

Mwanza, Tansania

Während ich im Flugzeug von München nach Dubai sitze und versuche mich mit Action-Filmen abzulenken, springen meine Gedanken im Achteck. Zu allererst denke ich an die neun Monate in einer völlig anderen Kultur, Sprache und Landschaft. Die Dauer von neun Monaten empfinde ich als Ewigkeit, wo mich gerade ein Flugzeug tausende von Kilometern in Stunden zurücklegen lässt. Ich schaue in die nahe Zukunft und hoffe auf gutes Wetter, einen angenehmen Flug und mögliche Veränderungen in mir selbst… Mit Großstädten, Ein-Zimmer-Wohnungen und Afrika habe ich eigentlich gar keine Erfahrung, wird man mich, mein Englisch und mein Verständnis von Menschenrechten oder Schulpädagogik verstehen? Und, die wohl wichtigste Unklarheit, kann ich wirklich alles essen, was man mir auf den Teller bringt?

Nachdem die ersten drei Monate an mir vorbeiflogen, wie meine Schmetterbälle an meinen Mitspielern im Volleyballtraining, kann ich mit Zuversicht sagen, dass die Kultur recht traditionell maskulinisch geprägt ist, Swahili eine recht einfache Sprache ist und die Landschaft, wenn auch von Globalisation vollgemüllt, sehr schön ist. Ich liebe jetzt schon das Land, die Leute und die Offenheit mit der die Schüler meinen Predigten zu Equality, Marist-Values, British-English und Terry Pratchet/Kevin Hearne zuhören.

Es gibt nur Trocken und Regenjahreszeiten. In der momentanen Regenperiode gibt es regelmäßig Gewitter, abends Nass von oben und mittags die äquatoriale Sonneneinstrahlung im Zenit auf meinen Kopf. Motorräder („Piki-Piki“ oder „Boda-Boda“), Kleinbusse („Dala-Dala“) und Autos fahren in der, meiner europäischen Meinung nach, falschen Fahrtrichtung, wobei die Vorfahrt sich eher nach Größe des Gefährts und der Dreistigkeit des jeweiligen Fahrers richtet. Klingt vielleicht abschreckend, mich hat es im allgemeinen vorsichtiger, aufmerksamer und dreister gemacht.

Thema Großstadt, die Kommunität und Schule liegen im Bezirk Nyakato, was eher ein Vorort-Feeling (Oh, nein, ein Anglizismus?!) hervorruft, mein Zimmer ist mit Bad, Dusche, Bett, 2 Schränken und Schreibtisch ungefähr 25 m*m gross und Tanzania ist für mich als Erstes besuchtes Land Afrika’s einzigartig geworden. (Ich habe eine Woche in der Kommunität in Orore, Kenya, verbracht. – direkt gelegen am Lake Victoria mit einer schönen Gesamtschule, sehr netten Brüdern und zu der Zeit noch einem mexikanischen Volontär.).

Etwas was mir hier sehr am Herzen liegt, ist die physische Bestrafung, die seit ungefähr einem Jahr, nachdem der ehemalige Schulleiter Bro Kiko ging, wieder eingeführt wurde, abzuschaffen und die Lehrer dazu aufzurufen, mit den Schülern offen und ebenbürtig über Problem zu reden.

Thema Essen, ich nehme meine Mahlzeiten in der Dining Hall der Brüder und Postulanten zu mir (Postulanten sind 19 bis 26-Jährige, die gerade in der 2-jährigen Lernphase vor dem Novizentum als Maristenbruder sind), Frühstück besteht aus Tee/Kaffee (Kilimanjaro-Coffee kann ich sehr empfehlen) Porridge, verschiedenen Toast-Sorten und manchmal ein hartgekochtes Ei/Rührei oder Mandazi (fritiertes Gebaeck) und Papaya-Marmelade. Mittag- und Abendessen besteht meistens aus Reis/Ugali (gekochtes Mehl mit Wasser = weisse, eher geschmacklose Masse)/Kochbananen/Spaghetti + manchmal Süß-/Kartoffeln + immer Bohnen/Erbsen + Fleisch alle zwei Tage (Hühnchen, Rind, Schwein oder Fisch) + Sosse, an Samstagen gibt es abends Chiapati, eine Art Fladen der mir sehr schmeckt und hin und wieder auch Melone, Orange, Mango, Banane oder Avokado als Nachspeise. Als einzige Herrausforderung gab es bei einer Priesterweihe vor ein paar Wochen Schaf& Ziegeninnereien, das war schon ein Kampf mit mir selbst – ich ging siegreich und einigermassen gesättigt hervor!

Meine ersten Eindrücke von Land, Mentoren und Arbeit sahen ungefähr so aus:

Ab dem Zeitpunkt wo ich in Dar es Salaam das Flugzeug verließ und in Kontakt mit Leuten aus Tanzania kam, waren sie zuvorkommend und jeder wollte von mir Swahili hören oder mir etwas davon beibringen. Die Brüder Protais und Erick (Superior der Kommunität und der Schulleiter) behandeln mich respektvoll und oft führsorglich. Für mich sind sie wie zwei Großväter, wobei Erick sehr streng mit den Schülern werden kann. Die Postulanten sind sehr freundschaftlich mit mir, was manchmal ein bisschen problematisch wird, wenn ich dabei bin, ihnen etwas über Computer beizubringen. (Das konnte ich aber ändern, indem ich ein bisschen den Tonfall meiner Stimme, meinen Kleidungsstil während der Schulzeit änderte und meine Autorität austestete) Anfangs war ich gegenüber den Schülern recht scheu, ich unterrichtete hauptsächlich die Postulanten in Microsoft Office und half hin und wieder einem Lehrer in der Schule aus. (Dies änderte sich stark in den drei Monaten die ich nun hier bin)

Nun ein kurzer Überblick über meine Arbeit, die Kommunität und meine außerpflichtlichen Tätigkeiten:

Nachdem ich mich immer weiter an die Schule herangetastet habe bin ich nun seit einem Monat Tutor der Pre-Form-1s, entspricht ungefähr der 6. Klasse in Deutschland, Klassenlehrer des Room 09 (eine Hälfte der Pre-Form-1s), Aushilfslehrer für jegliches Fach, Leiter von Englisch-Debatten, Biologie-Assisstent bei dem humorvollen Mr Tobias, samstags und sonntags Teil des Schulchors und ausserdem Teil des Schul-Volleyball-Teams und Trainer der Pre-Form-1s.

Die „Marist Brothers Postulancy, Nyakato, Mwanza“ besteht aus den bereits genannten Brüdern und Bruder Eduard, den acht Postulanten, hin und wieder auch aus einem Bruder oder Priester auf Durchreise und natürlich mir selbst. Ich nehme oft an den Gebeten, Aktivitäten und Feiern der Kommunität teil und fühle mich fast wie zu Hause. (Im Sinne davon, dass ich mich hier wohl fühle, außer dass ich das Maristen Gymnasium in Furth besucht habe, habe ich noch nie für längere Zeit in einer Maristen Kommunität gelebt.)

In meiner Freizeit lese ich viel Englische Fantasy-Literatur, übe hin und wieder mit dem „Teach yourself Swahili“-Buch von Bruder Andreas und lasse mich in den Ferien von meinen Schülern zum Schwimmen gehen und Stadt besichtigen einladen. Außerdem besuchen mich meine Eltern im Dezember, wo wir dann auf Safari und nach Zansibar reisen werden, bis dass neue Schuljahr wieder, zumindest für mich und die Schüler, beginnt.

Im Moment kümmere ich mich oft um die Schüler der Pre-Form-1, speziell um „mein“ Room 09, dessen Schüler mir inzwischen sehr ans Herz gewachsen sind. Ich halte Unterrichtstunden wie „English-Spelling“, halte Aufsicht bei verschiedenen Examen und bin allzeit offen für generell alle Schüler.

Wie vielleicht schon erkennbar bereitet mir das Room 09 mit seiner Klasse von aufgedrehten, einzigartigen Schülern sehr viel Freude, wobei auch hin und wieder Kopfzerbrechen meinerseits hinzukommt, wenn ein recht hartnäckiger Rechtschreib- oder Grammatikfehler sich durch die Hefte der Klasse zieht. Außerdem scheint mir Deutsch zu einer Fremdsprache geworden zu sein, ich lebe im Englischen, singe Lieder auf Swahili im Chor und spiele mit den Schülern leidenschaftlich Volleyball. Besondere Momente für mich selbst sind das Lesen und die Gebete an meinem Reisealtar, während draußen ein besonders starkes Gewitter tobt und der Regen auf das Dach prasselt.

In Zukunft würde ich gerne die verschiedenen Clubs reorganisieren, Health Eduaction und Physical Education (Sportunterricht) auf Vordermann bringen und das Allgemeinwissen zu Pädagogik und den LGBT-Bewegungen vorantreiben/auffrischen. Hin und wieder merke ich dass ich intensiver Swahili studieren könnte, dafür ist Englisch hier and dieser Schule aber doch fast zu komfortabel. Ein anderer Punkt den ein Volontärs Treffen vor einem Monat aufgeworfen hat ist der, die Laie-Maristen besser in die Kommunität zu integrieren.

Ansonsten bestehen meine nächsten Monate daraus, Klassenlehrer zu sein, die letzten Examen zu beaufsichtigen, das nächste Schuljahr vorzubereiten und mich auf den Besuch meiner Eltern zu freuen.

Mr. Roberts and Mr. Felix

Felix im November 2018